Werkbeschreibungen
„...grains...loops..." von Otto Wanke
„… grains… loops…(Weizenkörner) basiert auf dem Gedicht „Grains of Wheat“ des jüdischen Dichters Abraham Sutzkever, das während des Holocaust im Ghetto von Vilnius entstand. Abraham Sutzkever war ein herausragender jiddischer Dichter, dessen Werk eine der wichtigsten künstlerischen Reflexionen über das Leiden des jüdischen Volkes während des Holocaust darstellt.
Ausgehend von diesem Gedicht wurden selbst Körnchen oder kleine Partikel dieses Gedichts – also einzelne Buchstaben, Silben und Wörter – als Vorlage für die musikalische Struktur der Komposition verwendet. Die einzelnen Buchstaben, die in den Wörtern des Gedichts vorkommen, wurden verschiedenen Tonhöhen zugeordnet. So erscheinen einzelne Buchstaben als kurze, punktuelle Klangereignisse, Silben als Intervalle und Wörter als Akkorde. Die Buchstabenkombinationen in den Wörtern wiederum bilden rhythmische Zellen, die im Verlauf des Stückes unterschiedliche Pulsationen erzeugen.
Das Ergebnis dieses Kompositionsmodells ist auch ein Wechselspiel zwischen vertikaler und horizontaler Interpretation der Buchstaben: Ein Wort kann sowohl als Akkord als auch als Melodie interpretiert werden. Dieses Prinzip kann von Silben (Intervallen) auf ganze Phrasen (harmonische Aggregate oder Cluster) ausgeweitet werden. Die Komposition ist somit eine Art Reflexion des Originaltextes und ein Versuch, die Struktur und die Stimmungen des
„Friling" von Danielle Lurie
Danielle Luries Friling für Bratsche, Akkordeon und Pauke ist von der außergewöhnlichen Geschichte des Ghetto Vilnius’ und seinem reichen kulturellen Leben trotz der harten und unmenschlichen Bedingungen inspiriert. Das Stück basiert auf dem jiddischen Liebeslied Friling (Frühling), das Shmerke Kaczerginski 1943 im Ghetto Vilnius schrieb, um seine Trauer und Sehnsucht nach seiner verstorbenen Frau auszudrücken. Der Tangorhythmus des Originalliedes betont den Kontrast zum Leben vor dem Krieg. Vilnius, oder „Jerusalem des Ostens“, war bis zum Zweiten Weltkrieg ein wichtiges geistliches und religiöses Zentrum des Judentums.
Nur etwa zehn Prozent der jüdischen Gemeinde in Vilnius, einst eine der größten in Europa, überlebten den Holocaust. Die Form der Komposition folgt dem hebräischen Sprichwort „Die sieben Kreise der Hölle“ und schildert den Wandel von der drohenden Kriegsgefahr, über das Massaker von Ponary, zum Leben im Ghetto. Elemente des Liedes Friling begleiten diesen Prozess, zunächst als ferne Erinnerung an das Leben vor dem Krieg, später als Suche nach Hoffnung inmitten der unvorstellbaren Umstände des Ghettos.
Als Höhepunkt der sieben Kreise erscheint das ursprüngliche Lied Friling zum ersten Mal in seiner vollständigen Form. Anschließend kehrt die Musik zu der anfänglichen Stimmung zurück und lädt den Hörer ein, die Rolle der Musik in diesen schwierigen Zeiten zu hinterfragen.